In Basel-Stadt hat es seit 1875 mehr als 600 Volksabstimmungen gegeben.
Hier einige Fakten – und auch Kurioses.
Jahre ohne Volksabstimmung
Schon in frühen Jahren wurde in der Bevölkerung über «Referendumsfanatiker» und «Allerweltsnörgler» geschimpft und der Vorwurf, es gäbe zu viele Abstimmungen, ertönt bis heute. Es gab aber auch Jahre, in denen die Bevölkerung kantonal keinen Urnengang antreten musste; bisher sind es 16. Abstimmungslose Jahre gab es insbesondere zu Beginn der Einführung der Volksrechte: 1878-1880, 1883, 1885, 1886, 1888 und 1892-1895. Nichts zu beschliessen gab es ausserdem 1908, 1917, 1919, 1956 und 1997.
Das Rekordjahr der Volksabstimmungen
Die meisten Volksabstimmungen, nämlich 18, verzeichnet das Jahr 1936. Es herrschte Wirtschaftskrise, weshalb die SP-dominierte Regierung und der Grosse Rat im Rahmen des Arbeitsrappens diverse Arbeitsbeschaffungsprojekte beschlossen. Gegen einige dieser Projekte wurde das Referendum ergriffen, andere – wie der Bau des «Spiegelhofs» – unterstellte der Grosse Rat freiwillig der Volksabstimmung. 1936 stimmten die Basler Stimmbürger beispielsweise auch erstmals über die Wiedervereinigung mit Baselland ab.
Höchste Stimmbeteiligung
Die höchste Stimmbeteiligung erreichte 1924 ein Thema, das erstaunt: 84,3% der Stimmberechtigten legten ihren Stimmzettel zu einer Volksinitiative ein, die eine Verschiebung der Grossratssitzungen vom Donnerstag auf den Samstag verlangte. Zwar war das Thema nicht gänzlich unpopulär, da es darum ging, Privatangestellten die Parlamentstätigkeit zu erleichtern. Die hohe Stimmbeteiligung erklärt sich allerdings dadurch, dass eine Bundesvorlage (48-Stunden-Woche in den Fabriken) die Massen mobilisierte.
Niedrigste Stimmbeteiligung
1932 bemühten sich gerade mal 11,9 % der Stimmbürger an die Urne, um über Renovationsarbeiten am Spalentor abzustimmen. Es war die einzige Vorlage. Und bezeichnenderweise fanden an diesem Abstimmungswochenende keine Bundesabstimmungen statt, die für einen Urnengang Synergien gebracht hätten.
Höchste Annahme einer Abstimmungsvorlage
Da herrschten in Basel-Stadt für einmal fast kommunistische Zustände: Mit 98,9 % stimmten die Stimmbürger 1931 dem Bau einer neuen Rheinbrücke unterhalb der Johanniterbrücke zu. Das wurde dann die Dreirosenbrücke.
Höchste Verwerfung einer Abstimmungsvorlage
Es war eine krachende Abfuhr: Die Progressiven Organisationen Basel (POB) brachten 1972 eine Volksinitiative zur Abstimmung, die einen Gratis-ÖV forderte. Die Gegnerschaft eines «Gratisstaats» war dann aber doch zu gross. Sie rechnete vor, dass das Gratis-Tram jährlich 50 Millionen Franken kosten würde. Ausserdem störte wohl viele Stimmberechtigte, dass auch die lieben Nachbarn gratis Tram und Bus gefahren wären. Die Initiative erreichte an der Urne eine Zustimmung von kümmerlichen 12,6 %.
Das Anliegen bleibt allerdings bis heute aktuell.
Die erstaunlichsten Abstimmungen
1954 strömten über 45’000 Frauen an die Urne. Dabei waren Frauen noch gar nicht stimmberechtigt. Was war passiert? Basel-Stadt war dem Beispiel von Genf gefolgt und befragte 76’701 im Kanton wohnhafte Schweizer Bürgerinnen ab 20 Jahren, ob sie das Stimm- und Wahlrecht überhaupt wünschen. Es handelte sich um eine Konsultativabstimmung. Das klare Ja der Frauen (73 %) nützte allerdings wenig: Im gleichen Jahr lehnten die Männer das Frauenstimmrecht in einer «richtigen» Abstimmung wieder ab. Erst 1966 wird es dann endlich klappen.
Auch eine weitere Konsultativabstimmung erstaunt im Rückblick. 1979 zeigte sich Basel-Stadt mit 56 % Ja bereit, das bernische Laufental bei sich aufzunehmen. Das Laufental hatte sich die Abstimmung von den Kantonen Basel-Stadt, Baselland und Solothurn gewünscht. Um die potenzielle neue Staatsschöpfung mit Enklave entbrannte eine Debatte. Während die einen die Chance sahen, nicht mehr nur Stadtkanton zu sein, warnten andere vor konservativen, mehrheitlich katholischen neuen Stimmberechtigten. Später entschied sich das Laufental für den Beitritt zu Baselland.
Die am längsten schubladisierte Initiative
Basel-Stadt führte 1975 erste Behandlungsfristen für Volksinitiativen ein. In den Jahrzehnten zuvor – aber auch danach – gab es immer wieder Vorwürfe, eingereichte Initiativen würden liegen gelassen. Den Rekord kann die Initiative «Überdeckung der Elsässerbahn» verbuchen. Sie lagerte 38 Jahre in den Schubladen der Verwaltung, bis sie 1993 endlich an die Urne gelangte. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich das Hauptproblem, der Rauch und Russ der Dampflokomotiven, durch die zwischenzeitliche Elektrifizierung erledigt. 2007 setzte die Stimmbevölkerung per Volksinitiative «Schluss mit Schneckentempo: Initiativen schneller vors Volk!» strenge Behandlungsfristen durch.
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Das merkwürdigste Resultat
1936 lehnten die Stimmbürger den Ankauf der Liegenschaft Münsterplatz 1 ab; hier sollte das Schularztamt untergebracht werden. In einer separaten Abstimmung sagten die Stimmbürger jedoch Ja zu einem Kredit für den Umbau und die Einrichtung der Liegenschaft. «Das sind Merkwürdigkeiten der Demokratie», seufzte die Arbeiter-Zeitung.
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