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O du fröhliche… Weihnachten im Basler Abstimmungsplakat

Das «Geschenk» ist ein häufig gehörter Vorwurf in Abstimmungskämpfen. Er will sagen: Wer hat, dem wird gegeben. Und der Vorwurf lautet auch: Der Staat tut Unnötiges, er macht, was er sich gar nicht leisten kann. Wenn das Abstimmungsplakat das Geschenkeverteilen als Tugend hinstellt, muss es besonders zu und her gehen. Die Weihnachtszeit macht es möglich. 

André Salvisberg

Die Weihnachtsabstimmungen der 1930er-Jahre

Gemögig und schwarz-weiss kommt er daher: Der Standesweibel – Symbol des Kantons Basel-Stadt – hat unter einem Weihnachtsbaum Geschenkpackungen aufgehäuft. Wir lesen: Kunstmuseum, Dreirosenbrücke, Stadion, Hallenschwimmbad. Es sind alles geplante Bauten, die Basel ein modernes Angesicht geben sollten. «Das schönste Geschenk» kommt für die bürgerlichen Initianten zuletzt: «10% Steuerabbau» auf alle Einkommen. Wer würde das nicht begrüssen? Viele. Die Nein-Sager vom 14. Dezember 1930 waren eine massive Mehrheit von 70 Prozent. Noch stärker krachte am selben Abstimmungstag die kommunistische Initiative «für die Steuerbefreiung der Werktätigen». Sie wollte die Steuern erst ab 6’000 Franken Jahreseinkommen erheben lassen und fuhr 80 Prozent Ablehnung ein. Die Stimmbürger lehnten jeden Steuerausfall und damit die Schwächung des Staats rundweg ab, denn die Zeichen standen auf Sturm.

Beide Plakate stammen von Otto Plattner (1886–1951). Der Liestaler Plattner war in dieser Zeit eine Art «Hausgrafiker» der Liberalen und der BGP/NVP. Er schuf zahlreiche, gekonnt ausgeführte Abstimmungsplakate, wobei er immer wieder polemisch gegen die «Roten» austeilte. In den hier gezeigten Plakaten ist die Figur des Standesweibels besonders bemerkenswert. Im einen würde dieser sich nicht von einem Weihnachtsmann unterscheiden, wenn Hut und Mantel rot statt schwarz-weiss wären. Im anderen steht er mit seiner Beleibtheit nur noch für den überbordenden Staat. Jeder Hinweis darauf, dass es sich um eine Weihnachtsabgabe handelt, wird ausgeblendet.
(Bilder zVg: Plakatsammlung SfG Basel, CH-000957-X:4448 und CH-000957-X:4431)

Die im Vorjahr ausgebrochene Weltwirtschaftskrise hatte auch die Schweiz und ganz besonders Basel erfasst, die Entlassungen nahmen kein Ende. 1931 beschloss der Regierungsrat kurzerhand eine einmalige «Weihnachtsabgabe» an längerfristig Arbeitslose. 1932 wiederholte der Grosse Rat auf Antrag der Regierung die Abgabe, weil die Arbeitslosenrate immer noch anstieg. Das Referendum gegen den Grossratsbeschluss wurde ergriffen, die Gegnerschaft sprach von einer «Extraabgabe an Ausländer». Der Standesweibel auf ihrem Abstimmungsplakat trug auch keinen Weihnachtsmann-Bart mehr und schmiss das Geld zum Rathaus hinaus. Das Resultat war so eindeutig wie bei der ersten «Weihnachtsabstimmung», aber genau umgekehrt. Am 8. Januar 1933 stimmten 75 Prozent des Stimmvolks der Abgabe nachträglich zu. Sie waren der Meinung, dass die Arbeitslosen die Unterstützung bitter nötig hatten. Die Weihnachtsabgabe wiederholte sich jedes Jahr, denn die Weltwirtschaftskrise dauerte an.

Tanz unter dem Kriegsweihnachtsbaum 1939

1939 begann Nazideutschland den Zweiten Weltkrieg. Die Schweizer Armee wurde mobilisiert. Für den Soldaten bedeutete das einen Lohnausfall, den der magere Sold nicht ersetzte. Die Basler Regierung legte zu Weihnachten 1939 dem Parlament einen besonderen Ausgabenbeschluss vor: Die nächste Weihnachtsabgabe sollte neben den Arbeitslosen auch die Basler Wehrmänner einbeziehen. Dem führenden SP-Politiker Fritz Schneider war das nicht genug. Er setzte im Grossen Rat durch, dass die Abgabe nach verkürzter Wartefrist ausbezahlt werden sollte. Damit verdiente er sich im Frühling 1940 einen besonderen Platz im Abstimmungskampf, denn die Bürgerlichen hatten das Referendum ergriffen. Ihr Plakat zeigte Schneider als «roten Rattenfänger», der die Basler und auch die noch lange nicht stimmberechtigten Baslerinnen zum Tanz um den Weihnachtsbaum verführt, bevor das böse Ende kommt. Die Bürgerlichen scheiterten nur knapp, da viele eine Weihnachtsabgabe an Wehrmänner nicht verstehen konnten. Der Bund ergriff bereits Massnahmen zu deren Gunsten und führte eine Lohnausfallsentschädigung (heute Erwerbsersatzordnung) ein. Sie war so populär, dass sie nach Kriegsende zum Vorbild für die AHV wurde.

Auch dieses Plakat stammt von Otto Plattner. Grossrat Friedrich Schneider steckt im Kostüm des Rattenfängers. Die Pfauenfeder wirft ihm politische Geltungssucht vor, die Schere macht Schneider zum Beutelschneider, der den Menschen das versprochene Geld am Ende wieder abnehmen wird. Ebenfalls zu erkennen ist die siebenköpfige Basler Regierung, die vor dem leeren Kassenschrank des Kantons steht. Es sind v.l.n.r.: Fritz Ebi (SP), Fritz Hauser (SP), Edwin Zweifel (Freisinn), Carl Ludwig (Liberale), Adolf Im Hof (Liberale), Gustav Wenk (SP), Fritz Brechbühl (SP). Finanzdirektor Ludwig weist gestenreich auf den Defizitschein im Kassenschrank hin.
(Bild zVg: Plakatsammlung SfG Basel, CH-000957-X:7701)